Die Glorius Revolution, in der es dem englischen Bürgertum 1688 gelungen war, eine konstitutionelle Monarchie zu erzwingen, hatte auch die Propagierung gänzlich neuer Vorstellungen der künstlerischen Gestaltung zur Folge. Mit besonderer Vehemenz wurde die Konzeption des französischen Gartens als Modell absolutistischer Herrschaft über Mensch und Natur angegriffen und bekämpft, was in der Folgezeit zur Umformung der meisten dieser Anlagen führte. Ein Schicksal, das auch das Eversten Holz in Oldenburg traf.
Der besondere Charakter des französischen Gartens hat zwei Komponenten. Einerseits weicht sein Konzept vom barocken Park italienischer Prägung dadurch ab, dass das Zentrum in der Form eines mehrstrahligen Sternes deutlich hervorgehoben wird, vor oder auf dem sich das Schloss, manchmal auch eine Orangerie, befindet, wobei diese Anlage nicht in der Mitte des Parkes, sondern an dessen Rand liegt. Anderseits bedarf er für diesen asymmetrisch angeordneten Mittelpunkt eben jener herrschaftlichen Gebäulichkeit, von der aus der Blick des Serenissimus über die als Strahlen geführten Achsen in eine gleichsam unendliche Ferne geführt wird.
Als Oldenburg nach langer Zugehörigkeit zum Königreich Dänemark 1773 selbständiges Herzogtum wurde, fand der neue Herzog Friedrich August in Oldenburg einen Ort vor, der als Residenz nicht geeignet erschien, denn seit dem Tode des Grafen Anton Günther 1667 hatte die Stadt an jenen Entwicklungen, die für landesherrliche Repräsentation unabdingbar waren, nicht mehr teilgenommen. Hier fehlte insbesondere die für den ganzheitlichen Gestaltungswillen des Barock charakteristische Möglichkeit, eine Dreiteilung von Schloß, daliegenden Parterres mit rückwärtigen Bosketts und den Horizont markierendem Wald zu schaffen. Dieses Hemmnis war deshalb nicht sogleich zu beseitigen, weil sich das Gelände, welches für die Anlage eines Gartens in unmittelbarer Nähe zum Schloss infrage kam, in bürgerlichem Privatbesitz befand und erst im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte nach und nach angekauft werden konnte.
Selbst wenn sich der erste Herzog nur zeitweilig in Oldenburg aufhalten wollte, konnte er sich nicht damit abfinden, dass ein fürstlicher Garten fehlte. In dieser misslichen Lage geriet das Eversten Holz in den Mittelpunkt des Interesses. Zwar stand jenes offensichtlich schon Graf Anton Günther gehegte, recht weit vor den Mauern der Stadt gelegenes Waldstück nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Schloss, aber sein mehrhundertjähriger Baumbestand vermochte dieses Manko auszugleichen. Hier bestand die Möglichkeit, der mächtigen Vegetation kurzfristig eine barocke Facon zu verleihen und damit den Eindruck zu vermeiden, der neu eingesetzte Herrscher müsse sich wie ein adliger Emporkömmling mit einer kümmerlichen, zu eigenen Lebzeiten immer noch in anfänglichem Wachstum begriffener Pflanzung bescheiden.
Zentrum dieser ersten von Johann Peter Ahlers geschaffenen Parkanlage wurde, wie eine Karte des Jahres 1804 zeigt, ein zehnstrahliger Stern, unweit der Haupt- und zur Meinardusstrasse hin gelegen. Der am 24. Juni 1724 in Oldenburg geborene und auch hier am 29. Juli 1793 verstorben Forstmeister Ahlers, in botanischen Dingen ein reicher Autodidakt, der seine erste berufliche Karriere in dänischer Zeit als Militär durchlaufen hatte und wegen der Auflösung seiner Einheit eher notgedrungen in diese Stellung gekommen war, sich aber ausgezeichnete Sachkenntnisse angeeignet hatte, legte die Bepflanzung des Everstenholzes mit Eichen nach eigenem Bekunden selbst an. Der heutige Bestand ist demnach keineswegs aus immer neuer Selbstaussaat eines schon im Mittelalter vorhandenen Eichenwaldes hervorgegangen, sondern er wurde ab 1773 von Menschenhand gepflanzt.
Als Wäldchen hatte das Everstenholz sicherlich schon früher existiert, wie auch eine Zeichnung des Jahres 1726 bezeugt, jedoch es aus anderen Baumarten, jedenfalls nicht vorwiegend Eichen, gebildet worden sein. Die vorhandene Vegetation wurde, soweit sie den Schemata eines Barockgartens nach Standort und Gehölzart gerecht werden konnte, nun in die Neuauflage integriert, das andere entfernt. Der hier erkennbare Gestaltungswille entsprach vollkommener Weise den Anforderungen an einen französischen Garten – nur das Schloss stand in ungewöhnlich großer Entfernung, jedenfalls ohne direkt eingebunden zu sein, so dass, erwachsend aus der Notwendigkeit anfänglicher Improvisation, diese Besonderheit bestehen blieb. An Hand der Großform ergibt sich aus heutigem Blickwinkel zwangsläufig, dass auch alle weiteren Accessoires, die zum französischen Garten gehörten vorhanden gewesen sein müssen, also die in umgekehrter Richtung sich gewissermaßen kontrapunktisch vollziehende hierarchische Abfolge von Parterres (mit niedrigen Beeten gestaltete Areale), Bosketts (Zonen von beschnittenen Büschen und kleineren Bäumen) und dahinter einem waldartig erscheinenden Bereich. Dabei hat man sich die Gesundheit der Flora des Everstenholzes als rigoros durch gestaltet vorzustellen, von Menschenhand bis in die bildnerische Form hinein beschnitten, aber gleichzeitig mit jedmöglichlichem Aufwand an gärtnerischer Pflege behandelt. Auf dem Plan des Jahres 1804 sind auch zwei Gebäude, vielleicht fliegende oder jedenfalls hölzerne Bauten, eingezeichnet. Allerdings ist schon auf diesem Plan erkennbar, dass der Park im rückwärtigen Bereich in einen englischen Landschaftsgarten übergeleitet wurde.
Ein weiterer Plan von 1821 zeigt im Park keine baulichen Anlagen mehr, und auch die als Stern ausgebildete Wegekreuzung hat nicht mehr zehn, sondern nur noch sechs Strahlen. Trotz des kleinen Maßstabes sind viele Details zu erkennen. Besonders beeindruckend ist die Abbildung der Alleebäume, die, als Anpflanzungen des Forstmeisters Ahlers, nach einem halben Jahrhundert wohl eine ansehnliche und darstellbare Größe erreicht hatten. Zugänglich war der Garten über eine kleine, die Pferdetränke überquerende Brücke, nicht weit von der heutigen Meinardusstrasse gelegen, an deren Stelle sich ein Teich befand.
Dieses barocke Gartenkonzept für das Everstenholz erfuhr eine erste nachhaltige Modifikation nach 1831. Großherzog Paul Friedrich August, der in dritter Ehe die bis dahin in Wien lebende Prinzessin Cäcilie von Schweden geheiratet hatte, wollte der jugendlichen Fürstin in ihrer neuen Heimat ein halbwegs angemessenen stadtnahen Park bieten. Das Everstenholz wurde nun in einer Weise umgeformt, die dem Wiener Prater an Größe zwar nicht gleichkam, aber in der Formgebung wenigstens Assoziationen erlaubten. So wurde das französisch – barock gestaltete Everstenholz nach den schon eine Zeitlang im deutschsprachigen Raum bekannten Ideen des englischen Landschaftsgartens umgestaltet. Kennzeichen der neuen Gestaltung waren die Ideen des Labyrinthischen, uneinsehbaren, in seiner Wegeführung Unendlichen, den Wechsel von Wald zu Lichtung idealtypisch Nachvollziehenden.
Zu diesen rigorosen Eingriffen dürfte den Großherzog noch ein anderer Beweggrund veranlasst haben. Alle Hemmnisse, in unmittelbarer Nähe und sogar mit direkter Anbindung zum Schloss eine Parkanlage zu schaffen, waren zwischenzeitlich beseitigt, die dortigen Grundstücke nach und nach angekauft worden und die Pflanzungen des Schlossgartens ansehnlich in die Höhe gewachsen, so dass dem Everstenholz nicht mehr die Aufgabe eines repräsentativen Parkes zufiel, sondern hier eine legerere, mit dem zeittypischen Begriff “Lustgehölz“ beschriebene Nutzung zugestanden wurde, obwohl es nach wie vor strenger gärtnerischer Pflege unterlag. Für die Umgestaltung, sorgte der Hofgärtner Julius Friedrich Wilhelm Bosse (12.08.1788 – 25.10.1864), dessen Grundkonzeption eines englischen Landschaftsgartens bis heute erhalten ist. Er gestaltete auch den sechsstrahligen Stern endgültig um, so dass nur die noch heute vorhandene Kreuzung zweier Wege blieb.
Zwischen 1876 und 1889 gab es Erweiterungen, die das Everstenholz in seine heutige Größe hineinwachsen ließen, und nochmalige gärtnerische Umgestaltungen, die aber nicht an die Grundkonzeption des englischen Landschaftsgartens rührten. Dabei erfolgte die Anlage eines “Umfahrungsweges“ und innerhalb des Areals getrennt verlaufender Systeme von Wegen für Reiter und Kutschen sowie für Fußgänger, die im wesentlichen bis heute sichtbar sind. In dieser Zeit wurden zu besonderen Anlässen auch exotische Schösslinge gepflanzt.
Bis zum ersten Weltkrieg – und damit fast 140 Jahre lang – unterlag das Everstenholz ständiger Pflege; erst nach der Abdankung des Großherzogs im Jahre 1919 änderte sich dies. Allerdings erlosch zunächst nur die arbeitsintensive Erhaltung der Blumenbeete, während der Mangel an Brennmaterial in und nach den Weltkriegen dafür sorgte, dass der aus Sturmschäden resultierender Bruch sofort beseitigt wurde. In der heutigen, Besorgnis erregenden Zustand gelangte der Park erst während der letzten Jahrzehnte. Windbruch wurde, da als Brennmaterial entbehrlich, nur noch unvollständig beseitigt, und die Selbstaussaat hat viele junge Buchen über die im Wachstum langsameren Eichen emporkommen lassen. Diese gefährliche Konkurrenz unter den beiden Baumarten zeigt, wie fragwürdig vordergründige Ziele eines an sich ehrenwerten Bewusstseinswandels werden könne. Der Gedanke, Natur sich selbst entwickeln zulassen, ignoriert nicht nur den Umstand, dass jahrhundertlang während Pflege eine eigene, fortzuschreibende Daseinsberechtigung hat, sondern er endet auch in einem Ökologischen Kurzschluss: Aus einem im Mittelalter möglicherweise noch bestehenden Gleichgewicht wurde das Everstenholz schon vor mehr als 200 Jahren, vielleicht vor noch viel länger Zeit gebracht, und es wird sich mit einfachem “Sichselbstüberlassen“ nicht dahin zurückentwickeln, vielmehr wird der Bestand an Eichen auf diese Weise verloren gehen und damit das Gegenteil des Gewünschten eintreten.
Für den innerstädtischen Erholungswert bedeutet diese Entwicklung zu falsch verstandener Natürlichkeit, dass Fußgänger und vor allem Fußgängerinnen die Durchquerung des Everstenholzes bei Dunkelheit tunlichst vermeiden. Hunden dient das Gelände indessen als bevorzugter Abtritt, gleichzeitig verscheuchen sie die Kleintiere, so dass sich eben gerade keine intakte Fauna entwickeln kann.
Aus diesen Überlegungen könnte das unstatthafte Fazit gezogen werden, den jetzigen Zustand wenigstens als Status quo festzuschreiben, aber die besonderen Eigenschaften des Vegetabilischen, eine sich in jeder Wachstumsperiode verändernde und weiter verunklarende, ihrer Grundstrukturen schließlich verlustig gehende Vegetation, bedarf einer genauen Untersuchung sowohl in botanischer als auch in historischer Hinsicht, was letztlich die Erarbeitung eines Parkpflegewerkes, so wie für den Schlossgarten schon vorhanden, erforderlich machen wird. Ein erster Schritt ist mit der Vermessung des Areals und einer entsprechenden Kartierung des Baumbestandes bereits getan.
Es mag sein, dass unter den Prämissen des heutigen Zeitgeistes hier vordergründige Bedenken vorkommen wollen, denen jedoch die ökologische Fürsorglichkeit der Oldenburger Großherzöge entgegenzuhalten wäre. Schon vor mehr als einem Jahrhundert wurden die Krongüter bei Hasbruch und Neuenburg aus forstlichen Gründen herausgenommen und ausdrücklich einer Entwicklung zum “Urwald“ überlassen. So war einem jeden gebührender Platz eingeräumt worden.
– von Helmut Range, aus dem Mitteilungsblatt der Oldenburgischen Landschaft (Heft IV/1994)
Seit November 2014 wird das Eversten Holz als Historischer Stadtwald bezeichnet. Näheres finden sie in der Pressenotiz hier
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